Einleitung: Warum Neubauten nicht automatisch mängelfrei sind
Viele Bauherren glauben, ein Neubau bedeute „sorgenfreies Wohnen“. Schließlich wurde alles neu errichtet, modern gedämmt und nach aktueller Norm geplant. Doch die Realität zeigt: Auch neue Häuser haben Mängel – und zwar erstaunlich viele.
Laut Bauherrenschutzbund e.V. treten bei über 80 % aller Neubauten Baumängel auf, teilweise mit erheblichen Folgekosten. Häufig sind es Verarbeitungsfehler, fehlende Abstimmung zwischen Gewerken oder schlicht Zeitdruck auf der Baustelle.
Als Bausachverständiger mit über 30 Jahren Erfahrung sehe ich tagtäglich, dass Baumängel keine Ausnahme sind, sondern die Regel. Entscheidend ist: Wer sie rechtzeitig erkennt und dokumentiert, spart viel Geld und Ärger.
Undichte Gebäudehülle – Das unsichtbare Risiko für Schimmel und Energieverlust
Einer der gravierendsten Mängel betrifft die Luft- und Feuchtedichtheit der Gebäudehülle. Schon kleinste Leckagen an Fenstern, Türen, Dachanschlüssen oder im Sockelbereich können zu massiven Schäden führen.
Typische Ursachen:
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Falsch verklebte oder beschädigte Dampfsperrfolien
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Unsaubere Anschlussdetails zwischen Wand und Dach
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Fehlende Abdichtung gegen Spritzwasser im Sockelbereich
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Undichte Fensteranschlüsse
Folgen:
Feuchtigkeit dringt unbemerkt ein, Wände beginnen von innen zu schimmeln, und die Wärmedämmung verliert ihre Wirkung. In der Heizperiode zeigt sich dies zusätzlich in erhöhten Energieverbräuchen.
Ein Blower-Door-Test (Luftdichtheitsprüfung) ist ein wirksames Mittel, um solche Leckagen zu finden. Wird dieser von einem unabhängigen Gutachter begleitet, kann die Luftdichtheit objektiv geprüft und protokolliert werden.

Tipp
Lassen Sie eine Feuchtigkeitsmessung oder Luftdichtheitsprüfung bereits vor der Bauabnahme durchführen. Der Nachweis dient im Zweifel auch als Beweissicherung gegenüber dem Bauträger.
Weiterführende Infos: Umweltbundesamt – Feuchtigkeit und Schimmel
Wärmebrücken und mangelhafte Dämmung – der schleichende Energieverlust
Energieeffizienz ist ein Hauptargument beim Neubau. Doch falsch ausgeführte oder unvollständige Dämmungen führen häufig zu Kältebrücken (Wärmebrücken).
An diesen Stellen kann warme Raumluft kondensieren – der ideale Nährboden für Schimmel.
Typische Problemzonen:
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Übergänge von Balkonplatten zu Wohnräumen
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Fensterlaibungen und Rollladenkästen
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Anschlüsse zwischen Kellerdecke und Außenwand
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Fehlende Dämmung an Heizkörpernischen
Ein weiteres Problem: Viele Bauherren verlassen sich auf den Energieausweis – doch dieser basiert auf theoretischen Berechnungen. Nur eine thermografische Untersuchung zeigt, ob die Dämmung wirklich funktioniert.

Tipp
Beauftragen Sie bei der Abnahme oder vor Ablauf der Gewährleistungsfrist eine Wärmebildanalyse. Sie zeigt Schwachstellen frühzeitig auf.
Risse im Mauerwerk, Putz oder Estrich – harmlose Schönheitsfehler oder Warnsignal?
Risse im Neubau sind weit verbreitet. Während Haarrisse durch Schwindvorgänge oft unproblematisch sind, können größere Risse auf ernsthafte Baumängel hinweisen.

Häufige Ursachen:
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Zu schnelle Trocknung des Estrichs
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Fehler in der Bewehrung (Betonstahl)
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Setzungen aufgrund unzureichender Bodenverdichtung
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Ungünstige Bauabläufe (z. B. zu frühe Belastung von Bauteilen)
Risse können Feuchtigkeit durchlassen, was langfristig zu Korrosion der Bewehrung und Frostschäden führt.
Ein erfahrener Sachverständiger beurteilt die Rissbreite, Tiefe, Lage und Ursache und dokumentiert die Befunde nach DIN 18550 oder DIN EN 1996 (Eurocode 6)
Tipp
Hinweis:
Lassen Sie Risse immer fotografisch dokumentieren und messen. Nur so lässt sich nachweisen, ob sie sich später vergrößert haben.
Haustechnik: Wenn Heizung, Lüftung und Sanitär nicht richtig funktionieren
Moderne Neubauten setzen auf komplexe Technik: Wärmepumpen, kontrollierte Wohnraumlüftung, Smart-Home-Systeme. Doch diese Systeme müssen exakt aufeinander abgestimmt sein.
Fehlerquellen gibt es viele:
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Falsch dimensionierte Heizkreise oder fehlender hydraulischer Abgleich
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Zu niedrige Luftvolumenströme in der Lüftung – Schimmelgefahr!
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Geräuschprobleme durch fehlende Schalldämmung an Leitungen
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Mangelnde Dokumentation: Fehlende Einstellprotokolle oder Wartungsanleitungen
Ein häufiger Fall in meiner Praxis: Eine Wärmepumpe lief ständig auf Volllast, weil die Heizkreise nicht abgeglichen waren – der Mehrverbrauch betrug über 300 € pro Jahr.
Was Bauherren tun sollten:
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Alle Einregulierungsprotokolle und Prüfberichte vor Abnahme verlangen.
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Funktionstest durch einen unabhängigen Gutachter durchführen lassen.
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Prüfen, ob Wartungsanleitungen vollständig übergeben wurden.
Weitere Informationen zur Haustechnik-Qualität finden Sie beim Verband Privater Bauherren.
Oberflächenmängel: Putz, Malerarbeiten, Fliesen und Bodenbeläge
Diese Mängel fallen optisch am schnellsten auf – werden aber häufig falsch bewertet.
Viele Bauträger argumentieren, kleine Unebenheiten oder Farbabweichungen seien „hinzunehmen“. Doch das stimmt nicht immer.
Nach DIN 18202 (Toleranzen im Hochbau) sind klare Grenzwerte für Unebenheiten, Fugenversatz oder Höhenunterschiede definiert.
Ein Gutachter kann mithilfe von Messkeilen und Richtlatten objektiv prüfen, ob die Oberfläche der Norm entspricht.
Häufige Mängel:
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Hohlstellen im Estrich oder lose Fliesen
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Unsauber verarbeitete Spachtelflächen
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Ungleichmäßige Farbtöne oder Rollansätze
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Kratzer in Bodenbelägen oder Fensterrahmen
💡 Tipp:
Bei der Abnahme alle sichtbaren Oberflächen bei Tageslicht prüfen. Achten Sie auf Lichtschatten, Fugenverläufe und Risse an Ecken.
Kleine Schönheitsfehler können Hinweis auf grundsätzliche Verarbeitungsprobleme sein.
Bonus: Häufig übersehene Baumängel
Neben den „Top 5“ gibt es weitere, oft übersehene Schwachstellen:
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Fehlende Entwässerung der Außenanlagen (Stichwort: Gefällefehler)
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Nicht fachgerecht montierte Dachentwässerung
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Falsches Gefälle bei bodengleichen Duschen
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Fehlende Brandschutzabschottungen zwischen Installationsschächten
Gerade diese Punkte können bei späterer Nutzung oder im Schadensfall zu hohen Kosten führen. Eine baubegleitende Prüfung durch einen Sachverständigen ist daher immer sinnvoll.

Warum Sie die Bauabnahme nie ohne Sachverständigen durchführen sollten
Die Bauabnahme ist juristisch der wichtigste Moment im gesamten Bauprozess.
Mit Ihrer Unterschrift erklären Sie, dass das Werk vertragsgerecht hergestellt wurde – und damit geht die Beweislast für Mängel auf Sie über (§ 640 BGB).
Ohne technische Expertise ist es für Laien nahezu unmöglich, Baumängel zuverlässig zu erkennen. Ein unabhängiger Gutachter sorgt für Objektivität und schützt Ihre Interessen.
Vorteile eines Gutachters bei der Abnahme:
✅ Er erkennt verdeckte und technische Mängel, die Laien übersehen
✅ Er dokumentiert alle Beanstandungen gerichtsfest
✅ Er begleitet Sie bei der Mängelanzeige gegenüber dem Bauträger
✅ Er hilft, Kosten und Nacharbeiten zu verhandeln
Oft reicht schon die Anwesenheit eines Sachverständigen, um die Bauqualität deutlich zu verbessern – Handwerker arbeiten nachweislich sorgfältiger, wenn eine unabhängige Kontrolle erfolgt.
